Zwei YouTuber tragen eine Meinungsverschiedenheit auf der Plattform aus – und Tausende schauen ihnen dabei zu. Nichts Neues und im Fall dieser beiden YouTuber auch keine Seltenheit.
Was aber neu und deshalb bemerkenswert ist, ist der Umgang mit Informationen und das Vermischen von Meinung und Fakt. Dabei kommt gelegentlich eine Technik zum Zug, die wir überwiegend aus der politischen Kommunikation kennen: das Framing.
Deshalb geht es in diesem Beitrag über die Anwendung von Framing (und am Rande auch weiteren Kommunikations-Methoden) in der Vermarktung von Novel Foods am Beispiel von CBD in sozialen Medien.
Was ist passiert?
August 2023: YouTuberin Sashka kritisiert in einem Video-Beitrag die Vermarktung des Novel Food CBD durch Influencer (überwiegend Instagram). YouTuber Tim Jacken nimmt die Kritik auf – und an manchen Stellen vielleicht ein bisschen zu persönlich, gleich am Titel seines Antwort-Videos erkennbar “Sashka hat ´n video gegen mich gemacht”.
Was stimmt: Jacken wird im Video von Sashka öfter als Negativ-Beispiel dafür aufgeführt, wie Influencer-Marketing für CBD nicht aussehen sollte, als andere. Vielleicht ist die Kritik aber berechtigt. YouTuberin Sashka führt dazu einige belastbare Argumente auf. Das wohl wichtigste lässt sie durch eine unabhängige Expertin aussprechen.
Korrelation ist nicht Kausalität
Wer keine ausreichende Hilfe durch einen Arzt erfährt und darauf angewiesen ist, sich selbst zu helfen, der fällt häufig auf einen Denkfehler herein: den kausalen Fehlschluss. In der Wissenschaft besser bekannt als “Korrelation ist nicht Kausalität”.
Dieser Denkfehler tritt immer dann auf, wenn zwei (oder mehrere Phänomene) zeitlich aufeinander folgen und daraus geschlossen wird, dass das erste das zweite hervorgebracht hat – und keine andere Erklärung dafür herangezogen werden kann.
In Fall CBD: “Ich habe weniger Symptome, seitdem ich CBD nehme” wird zu “Ich habe weniger Symptome, weil ich CBD nehme.”
Dass beide Phänomene, also das Auftreten und das Ausbleiben von Symptomen, nacheinander auftreten, kann reiner Zufall gewesen sein. Dazu kann man eine Beweislast-Umkehr durchführen.
Was außerdem zu einer Besserung geführt haben kann:
- Bessere Selbstsorge
- Das Gefühl, sich etwas Gutes zu tun
- Ein Mittel einzunehmen, weil man frühere Lernerfahrungen damit hatte und erwartet, dass eine Wirkung eintritt
- Eine anderer Wirkung von CBD, die dazu führt, dass sich die Gesamtgesundheit verbessert und damit auch die Symptome
- u.v.m.
Aber warum schwören so viele Nutzer auf CBD?
CBD und Novel Food Verordnung
CBD ist eine Substanz, die aus der Hanfpflanze (Cannabis) gewonnen wird. Im Gegensatz zu THC erzeugt CBD keinen Rauschzustand. CBD wird zu medizinischen Zwecken erforscht.
Allerdings unterscheidet sich das freiverkäufliche CBD von dem, was in der Forschung verwendet wird, vor allem in den verwendeten Dosen. Deshalb ist das, was man als Konsument erwerben kann, kein Medikament und da es nicht als Lebensmittel gehandelt wird, unterliegt es auch nicht der NemV (Verordnung für Nahrungsergänzungsmittel).
Allerdings findet die Novel-Food-Verordnung Anwendung bei CBD. Auf der Seite des BVL findet man folgenden Auszug:
“Für die Einzelsubstanz Cannabidiol (CBD) wurde bisher kein nennenswerter Verzehr vor dem 15. Mai 1997 belegt. Sie wird daher im Novel Food-Katalog der Europäischen Kommission unter dem Eintrag „Cannabinoids“ als neuartig beurteilt und bedarf somit einer Zulassung nach der Novel Food-Verordnung. Da eine Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel bisher nicht erfolgt ist, sind derartige Erzeugnisse bislang nicht verkehrsfähig (Stand März 2019).”
Weil es nicht als Lebensmittel gilt, sind Unternehmen in der Werbung eingeschränkt und verkaufen es als Kosmetikum oder Mundöl. Nur wird dies so nicht dargestellt – einer der Hauptpunkte in Sashkas Kritik.
Genau dort entsteht die Diskussion zwischen den beiden YouTubern. Während Sashka sich darum bemüht, mithilfe von Studien und einer unabhängigen Expertin ihren Followern zur Meinungsbildung zu verhelfen, legt Jacken den Fokus auf persönliche Erfahrungen.
Hier kommt das Framing ins Spiel.
Framing im CBD-Marketing
Framing ist eine Methode, die wir eigentlich aus der politischen Kommunikation kennen. Dabei wird einem Thema ein Bedeutungsrahmen zugewiesen, der das Thema in einem bestimmten Licht erscheinen lassen soll.
Besonders deutlich wird Framing in TV-Shows: Derjenige, der zuerst spricht, steckt den Bedeutungsrahmen ab. Derjenige, der danach spricht und eine andere Meinung vertritt, hat es nun schwerer, diesen Rahmen zu widerlegen, denn der Zuschauer betrachtet die Diskussion primär durch den zuerst gesetzten Frame.
In dieser Diskussion treffen zwei Frames besonders oft aufeinander, deshalb stelle ich sie im Folgenden vor.
Wundermittel-Frame
Ein leicht nachvollziehbarer Frame ist der Wundermittel-Frame, den Sashka verwendet. Nachvollziehbar deshalb, weil der unspezifischen Wirkung von CBD eine unverhältnismäßig hohe Anzahl von Anwendungsgebieten gegenübergestellt wird. Von Periodenschmerzen über Hautunreinheiten bis hin zum Muskelkater. Kein Wunder, dass CBD da eher wirkt wie in Hausmittelchen. Noch wunderlicher ist, dass dies anscheinend in der Konsumentenschaft großen Zuspruch findet.
Mehrheits-Frame
Um seinen Standpunkt zu rechtfertigen, greift Jacken zum Mehrheits-Frame à la ´So viele Menschen können sich nicht täuschen` (kein direktes Zitat).
Die Geschichte hat unzählige Fälle mit fatalen Folgen hervorgebracht, die beweisen, wie sehr sich Mehrheiten irren können. In diesem Fall handelt es sich nur vermutlich gar nicht um eine Mehrheit, sondern lediglich eine wahrgenommene, gefühlte oder erwünschte Mehrheit.
Ähnliche Methoden finden wir beim Social Proof durch Testimonials (Kundenstimmen), wie es im Online-Marketing üblich ist. Auch hier soll der Eindruck erweckt werden, dass das beworbene Angebot eigentlich nur gut sein kann.
Das ist rechtlich erlaubt und moralisch völlig in Ordnung. Spannend wird es aber, als ein Begriff aus dem Heilmittelwerbegesetz fällt: das Heilsversprechen.
HWG bei CBD?
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) wird eigentlich nur angewendet, wenn es sich um Medizinprodukte oder -dienstleistungen handelt. Dennoch sollten Hersteller, Verkäufer und Werbetreibende/Influencer die Vorgaben kennen und beachten. Denn der Begriff ist im Gesetzestext weit gefasst und deshalb könnte ein Gericht ihn so auslegen, dass er eben auch auf freiverkäufliches CBD zutrifft. Etwa dann, wenn eine Irreführung vorliegt, wobei einem Produkt eine nicht nachweisbare Eigenschaft zugesprochen wird.
In der Influencer-Vermarktung gibt es jedoch ein paar Besonderheiten, die Unternehmen in die Hände spielen. Da wäre zum einem die Vermarktung über Instagram-Stories, die jeweils 24h sichtbar sind und dann im Archiv verschwinden. Zum anderen eine junge, unerfahrene Zielgruppe, die solch einer Werbung wenig kritisch gegenüber steht.
Das Entdeckungsrisiko ist also gering. Oder mit anderen Worten: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Fazit YouTube-Fehde um CBD:
Framing verändert keine Fakten – aber Framing lässt uns anders auf Fakten schauen. Das kann dazu führen, dass wir zentrale Aspekte übersehen oder falsch bewerten und so zu Trugschlüssen kommen.
Während Sashka die Art der Werbung kritisiert, verteidigt Jacken anekdotische Evidenz und damit nicht das, was kritisiert wurde.
Dazu hätte man auf der Sacheben bleiben müssen. Etwa, indem anerkannt würde, dass CBD in Studien über eine andere Konzentration verfügt als CBD in freiverkäuflichen Produkten. Dass es qualitative Unterschiede in der Wahl von Expertenmeinungen gibt. Und dann wissenschaftlich belegte Evidenz nicht gleichzusetzen ist anekdotischer Evidenz. Es werden Aussagen getätigt, die als Heilsversprechen gewertet werden könnten.
Die Video-Fehde ist eine lohnenswerte Diskussion, weil eine junge Zielgruppe zwei unterschiedliche Positionen kennenlernt und dabei so wichtige Begriffe wie das Heilversprechen oder Novel Food gleich mit.
Quellen:
Ist das Cannabis-Produkt ein neuartiges Lebensmittel? BVL, Abruf: Sep 2023: https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/FAQ/DE/02_Unternehmer/01_Lebensmittel/03_FAQ_Hanf_THC_CBD/03_FAQ_Cannabidiol_CBD.html
Video von Sashka: https://www.youtube.com/watch?v=2TRuuqC_hmg
Tim Jacken Antwort: https://www.youtube.com/watch?v=3QeJvcG_W60